Zurück in der Wetterau (Teil
18)
Oft radele ich auf dem Weg nach Friedberg am neuen Jugendzentrum
vorbei – ein freundlich anmutendes, modernes Gebäude mit vielerlei
Sporteinrichtungen. Von innen kenne ich es nur aus Photos der Lokalpresse, denn
als Üfü schaue ich dort besser nicht hinein, wenn ich den Kommentaren („Mein
Gott – jetzt kommen sie schon zum Sterben hierher!“) entgehen möchte.
Kaum zu glauben, aber auch meine Generation hatte einen
solchen Treffpunkt. Für mache war es wohl auch eine zweite Heimat. Mitte der
Siebziger verbrachten wir unsere Freistunden und Nachmittage oft im alten Juz
in der Bismarckstrasse 24 – genau 2 ½ Minuten Fußweg vom Augustinergymnasium.
Das Gebäude war mehr als sanierungsbedürftig, aber das störte niemanden. So
manche Session fand davor statt, mit Loschi an den Bongos oder Kongas, Moses an
der Gitarre und uns anderen singend oder ebenfalls Gitarren schrubbend.
Betrat man das Gebäude, ging man ein an ein paar Postern
vorbei, drei Treppenstufen hinab, in das Café (oder sollte ich lieber „Kneipe“
sagen?). Die Theke befand sich rechts, die Tische und Bänke links. Die
Holzverkleidungen der Nischen waren selbst zurechtgezimmert und so zog man sich
beim Hineingleiten den ein oder anderen Schliffer zu. Doch die waren schnell vergessen,
fanden doch um die Holztische existenzielle Diskussionen statt. Wie stehen wir
zum Paragraph 218? Oder – etwas später – zu den Notstandsgesetzen? Ermüdet
fanden wir jedoch bald zu Schach und Doppelkopf zurück. Bis irgendjemand laut
verkündete: „Die 4. Stunde fängt gleich an!“ Hier trennten sich nun zwei
Welten: Diejenigen, die zurück zum Unterricht rannten, und dem Rest, der darauf
hoffte, dass die Abwesenheit nicht bemerkt würde.
An freien Nachmittagen oder Abenden verdienten wir uns mit
dem Thekendienst im Juz ein paar Mark dazu. Die Abrechnungen am Ende waren
etwas nervenaufreibend, denn es dauerte oft einige gefühlte Ewigkeiten, die
verkauften Kakaos und Biere mit Papier und Bleistift zusammenzurechnen. Aber
dafür konnten wir die LPs auswählen und den Nachmittag nach unserem
Musikgeschmack gestalten: Frank Zappa & The Mothers of Invention, Led
Zeppelin, Jimi Hendrix und Janis Joplin.
Mit der Hygiene nahmen wir es nicht ganz so genau. Als Hugo
der Käsekuchen auf den Boden glitt, kehrte er mit einem freundlichen „Hoppla!“
die Überreste zusammen und servierte sie einem verblüfften Gast mit den Worten:
„Wir sind ja nicht im Hilton!“
Das Café war aber nur ein kleiner Teil des Juz. Weiter
hinten – man lief durch einen dunklen Gang, vorbei am Siebdruckgerät und
Toiletten – befand sich ein großer Raum,
in dem Konzerte, Vollversammlungen und Filmvorführungen stattfanden
Bei einem Musikwettbewerb ergatterte ich mit einigen
Beatles-Nummern – Dank meiner Freunde im Publikum – den 2. Platz: Der Preis war
ein Gitarrenständer für eine Elektrogitarre. Leider hatte ich keine, und meine
Westerngitarre war viel zu breit und passte nicht hinein. Egal – es war ein
Grund zum Feiern. Erster wurde die Gruppe Schtonk
mit Obi am Schlagzeug. Eine tschechoslowakische Band hatte leider nicht so
viele Fans im Publikum und musste sich mit der Bronze-Medaille zufrieden geben.
An die meisten Konzerte kann ich mich nicht mehr erinnern.
Da gab es jedoch einen irischen Jüngling names Julian Dawson, der es mir sehr
angetan hatte. Singen konnte er zwar auch schön („I’m a-going fishing …“), doch
darüber hinaus sah er auch glänzend aus und trug die coolsten Sneakers weit und
breit – ganz in weiß, so wie Art Garfunkel auf dem LP-Cover Bridge over Troubled Water.
Dicht gedrängt, teils auf Stühlen, teils auf dem Boden sahen
wir uns die Kultfilme jener Zeit an (damals sah man sich Filme nicht an,
sondern „zog sie sich rein“). Es war ein seltsam anmutendes Gemisch aus A Hard Day’s Night, Zur
Sache, Schätzchen und natürlich dem niemals enden wollenden Concert for Bangladesh.
Wir waren selbstverwaltet, und so wurden in regelmäßigen
Abständen Vollversammlungen abgehalten, in denen wir über das Budget und
Verantwortlichkeiten stritten, das Burgfest planten und bauliche Veränderungen
in Angriff nahmen. Die Sitzungen waren schier endlos, nicht zuletzt, da wir nun
alle gelernt hatten, wie man einen Antrag zur Geschäftsordnung stellt (beide
Hände hoch).
Peter Hase, der damalige Sozialarbeiter im Juz („Mein Name
ist Hase – ich weiß von nichts“), hatte
es nicht immer leicht mit uns, aber er managte eine Schadensbegrenzung nach der
anderen mit Bravour, auch wenn seine Nerven damals wohl sehr gelitten haben
müssen.
Moses & Aaron hatten ein Fotolabor im Keller des Juz, wo
sie unter anderem auch ein Geburtstagsgeschenk für mich anfertigten: Ein
Portrait von mir und Paul McCartney (den ich damals anhimmelte). Leider stand
der Beatle nicht für einen Fototermin zur Verfügung, und so musste Schlumpf für
die Rohfassung herhalten (der Kopf wurde von Moses & Aaron fachmännisch
ausgetauscht). Leider habe ich das Endprodukt nicht mehr – nur noch die
Ergebnisse der Fotosession vor dem Juz. Mir hatte damals zwar keiner erklärt,
wozu ich mich in Pose werfen sollte, aber ich spielte gerne mit.
(c) Moses & Aaron (in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts)
Damals waren wir halt gutgläubiger.
Susie Vrobel, Juni
2013
Ein verdammt harter Job
AntwortenLöschenDu kochst den Kaffee,
so schwarz wie die Nacht
über der Prärie.
An der Wand hängt ein
Steckbrief von der Band(e),
die letzte Woche hier war.
Hinter Dir dudelt ein Banjo.
...das ist Dein Job:
Thekendienst im Jugendzentrum !
Schicht 1: 8.00h - 14.00h
Schicht 2: 14.00h - 18.00h
Schicht 3: 18.00h - ? (i.d. Regel 22.30h)
Stundenlohn: 3,50 DM (sorry)
(Hier fangen Karrieren an)
...mehr auf: http://c-screen.de/freaku.html
VG
Chris Kempa
Ein verdammt harter Job
AntwortenLöschenDu kochst den Kaffee,
so schwarz wie die Nacht
über der Prärie.
An der Wand hängt ein
Steckbrief von der Band(e),
die letzte Woche hier war.
Hinter Dir dudelt ein Banjo.
...das ist Dein Job:
Thekendienst im Jugendzentrum !
Schicht 1: 8.00h - 14.00h
Schicht 2: 14.00h - 18.00h
Schicht 3: 18.00h - ? (i.d. Regel 22.30h)
Stundenlohn: 3,50 DM (sorry)
(Hier fangen Karrieren an)
...mehr dazu auf: http://www.c-screen.de/freaku.html#harterJob
LG
Chris Kempa