Montag, 25. Juli 2011

Wetterauer Geschichten Teil4

Zurück in der Wetterau (4)

Auf allen Kanälen wurde in diesen Tagen die Ära des space shuttle zu Grabe getragen. Mit viel Wehmut und Nostalgie. Ich erinnere mich an den ersten Flug – damals verfolgte ich ihn während meiner au-pair Zeit in Paris – aber la navette spatiale berührte mich kaum, da für mich diese Missionen niemals die Aufbruchstimmung der späten Sechziger auch nur annähernd hervorriefen. Denn die space shuttle Flüge dienten einem anderen Zweck, und dieser war überschaubar und sprengte keine frontier.

Der Sommer der ersten Mondlandung hingegen war ein Einschnitt im Leben meiner Generation. Auch wenn viele meiner Freunde später ihre Zimmer mit So what?-Postern ausstatteten, war die Apollo 11 Mission für mich immer eines der inspirienendsten Ereignisse meines Lebens. Die Sommertage im Juli 1969 waren warm und lang und wir standen im Garten meiner Großeltern in Friedberg und sahen uns den Mond an, noch ganz benommen von den im Fernsehen live übertragenen Ereignissen. Dort oben betraten vor nur ein paar Stunden Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen den Mond. Er sah zwar so aus wie immer – doch wir alle wußten, dass er für uns nie mehr derselbe sein würde. Denn von nun an, so dachte ich, würden wir alle die Fußspuren, die Landespuren des Eagle und die Flagge dort sehen können – wenn wir nur ein besseres Teleskop hätten.

They came in peace – for all mankind. Ich wußte damals nichts über das space race, das der Sputnik und Juri Gagarins Flug ausgelöst hatten. Auch dass er the world of art and Anna Magnani aus dem All grüßte, lernte ich erst viel später. Damals hatte es mir die wunderschöne Figur der Saturn V angetan und ich fühlte mich plötzlich als ein Teil der Menschheit, die dieses Abenteuer in Angriff genommen hatten. Und so war damals der nächste Schritt für mich sonnenklar: Ich wollte Astronaut werden.

Meine Begeisterung war so groß, dass ich selbstgefertigte Zeitungen an die Nachbarn verteilte, die das große Ereignis dokumentierten. Dazu schnitt ich aus allen Illustrierten und Zeitungen Artikel aus, klebt sie zusammen, tackerte sie zu 4-seitigen Publikationen zusammen, und ging hinunter zur Wiese zwischen den Häusern in der Taunusstrasse, um die Menschheit aufzuklären. Es dämmerte mir damals nicht, dass meine Nachbarn vielleicht ebenfalls die Nachricht vernommen haben könnten. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund dachte ich, dass der Rest der Menschheit in Unwissenheit versauerte und ich folglich die neue frohe Botschaft verkünden müsse. Nun, ich war erst 8, und so bedankten sie sich schön und blätterten freundlich durch die Seiten, doch die Neuigkeiten haute sie nicht gerade aus den Socken.

Fortan besann ich mich auch weiterhin auf Reportagen, da man mir früh klarmachte, dass ich niemals selbst an einer Mission teilnehmen würde. Meine Grundschullehrerin Frau Blochwitz zerbrach meine Karriereträume mit der schlichten Feststellung, dass die Nasa keine Mädchen als Astronauten ausbilden würde. Ich verstand die Welt nicht mehr und war mehr als gekränkt. Doch der Lehrkörper war richtig informiert: Ende der Sechziger war die Raumfahrt eine Männerdomäne.

Die Mondlandung hatte auch großen Einfluss auf das Familienleben. Denn das neu erwachte Interesse an Weltraummissionen führte zu einem direkten Konflikt der Generationen. Schuld war die Programmgestaltung von ARD und ZDF – dem „richtigen Fernsehen“ und dem zweiten Kanal (das dritte Programm war erst in den Kinderschuhen). So lief just zu der Zeit, in der die Lieblingssendung meines Vaters ausgestrahlt wurde – die Sportschau – auf dem anderen Kanal „Raumschiff Enterprise“. Ein tragischer Konflikt, denn ich liebte die Helden der Serie. Weniger Captain Kirk, sondern Spock, der sich trocken – cool, calm and collected – den Mysterien und Gefahren des Universums stellte. Wenn ich durch gezieltes Quengeln doch einmal in den Genuss der Serie kam, so bekam ich schon beim Mitsprechen des Vorspanns eine Gänsehaut: „Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

To boldy go where no man has gone before. Die deutsche Antwort auf Star Trek war Cliff Allistar McLanes schneller Raumkreuzer Orion. Dessen Abenteuer wurden jedoch spät am Abend ausgestrahlt, lange nach dem Sandmännchen, und so sah ich erst in späteren Jahren, wie sich Dietmar Schönherr, ohne mit der Wimper zu zucken, über die ein odere andere Alpha-Order hinwegsetze und sein Schiff mit Hilfe eine Bügeleisens durch ferne Raumsektoren navigierte.

Und so gehöre ich auch heute noch der ersten Star Trek Generation an und an die Apollo-Missionen erinnert mich ein 1,5 Meter großes Modell der Saturn V in meinem Wohnzimmer. Die Nachrichten über den letzten Flug der Atlantis ließen mich kalt, denn es fehlte der Kick der Aufbruchstimmung der späten Sechziger. Die Unfälle der space shuttle missions haben nichts damit zu tun. Auch die Apollo Flüge hatten ihre Opfer zu beklagen, auch wenn sie oft glimpflich davon kamen. Im Religionsunterricht mussten wir damals für die Astronauten der Apollo 13 Mission beten. Es schien wohl geholfen zu haben, denn außer einer Blasenentzündung kamen sie relativ wohlbehalten wieder an.

Würde ich heute zu einer Weltraummission eingeladen, so kämen mir möglicherweise Bedenken, die ich den Sechzigern noch nicht hatte. Denn damals kannte ich noch nicht die Unpässlichkeiten einer Blasenentzündung. Heute schon. So bin ich denn hin- und hergerissen zwischen wollenen Unterhosen und the final frontier.

Früher gab es halt noch durchbrechbare Grenzen.


Susie Vrobel, Juli 2011

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